In den letzten Jahren hat sich die regenerative Landwirtschaft als ein zunehmend populäres Konzept etabliert, das als Lösung für den Klimawandel und eine nachhaltige Lebensmittelproduktion beworben wird. Globale Konzerne wie Nestlé haben bereits Richtlinien auf Basis dieser Praxis eingeführt, während das Weltwirtschaftsforum die regenerative Landwirtschaft als Schlüssel zur Klimaanpassung der Landwirtschaft und zur Dekarbonisierung des Lebensmittelsystems betrachtet.
Doch der neueste Bericht von Agri Benchmark-Forschern aus Deutschland zeigt, dass die Vorteile dieser Praxis oft überschätzt werden und sowohl wirtschaftliche als auch ökologische Effekte hinter den Erwartungen zurückbleiben.
Kohlenstoffspeicherung – Mythos oder Realität?
Eines der Hauptargumente für die regenerative Landwirtschaft ist die Behauptung, dass die Nutzung von Zwischenfrüchten und die Reduzierung der Bodenbearbeitung wesentlich zur Kohlenstoffspeicherung im Boden und zur Verringerung der Treibhausgasemissionen beitragen.
Doch Metaanalysen wissenschaftlicher Studien, darunter eine Untersuchung von EASAC, zeigen, dass reduzierte oder konservierende Bodenbearbeitung die gesamten Kohlenstoffreserven im Boden nicht erhöht. Stattdessen sammelt sich der Kohlenstoff in den oberen Bodenschichten an, während die Konzentration in tieferen Schichten abnimmt. Wenn der Boden später erneut gepflügt wird, wird der gespeicherte Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre freigesetzt, was den langfristigen Nutzen dieser Methode infrage stellt.
Hinsichtlich der Zwischenfrüchte haben diese zwar gewisse Vorteile für die Bodenqualität, aber ihr Beitrag zur Kohlenstoffspeicherung ist begrenzt und hängt von der Art der eingesetzten Pflanzen ab. Hülsenfrüchte haben ein höheres Potenzial, aber auch hier sind die Effekte nur kurzfristig – sobald der Anbau eingestellt wird, gelangt der gespeicherte Kohlenstoff allmählich zurück in die Atmosphäre.
Wirtschaftliche Realität – Ist es rentabel?
Die regenerative Landwirtschaft wird oft als finanziell tragfähige Option dargestellt, doch aktuelle Studien deuten auf das Gegenteil hin. Eine Untersuchung der Boston Consulting Group in Deutschland behauptet, dass Landwirte durch die Anwendung regenerativer Methoden ihren Gewinn um 52 € pro Hektar steigern könnten. Doch die Autoren des Agri Benchmark-Berichts erklären, dass diese Berechnungen auf unrealistischen Annahmen beruhen:
Einnahmen aus Kohlenstoffzertifikaten – Das deutsche Modell rechnet mit zusätzlichen 38 €/ha durch den Verkauf von CO₂-Zertifikaten für den Anbau von Zwischenfrüchten. In Wirklichkeit erhalten viele Landwirte bereits Subventionen für diese Praxis, sodass kein zusätzlicher Gewinn entsteht.
Einsparungen bei Düngemitteln – Die geschätzte Reduzierung der Düngerkosten um 89 €/ha ist unrealistisch, da keine wissenschaftlichen Studien solche Einsparungen bestätigen.
Verborgene Kosten – Eine reduzierte Bodenbearbeitung erfordert oft einen erhöhten Einsatz von Herbiziden, und in trockenen Jahren steigen die Erträge nicht an, sondern können sogar sinken.
Kurz gesagt: Wäre die regenerative Landwirtschaft wirklich profitabel, würden Landwirte sie von selbst übernehmen, ohne Subventionen. Doch die Daten zeigen, dass Zwischenfrüchte und reduzierte Bodenbearbeitung vor allem in Regionen eingesetzt werden, in denen staatliche Förderungen existieren – was Fragen zur langfristigen Nachhaltigkeit aufwirft.
Was sind Kohlenstoffzertifikate?
Kohlenstoffzertifikate sind ein Mechanismus, der es Unternehmen und Einzelpersonen ermöglicht, ihren CO₂-Fußabdruck zu reduzieren, indem sie «Genehmigungen» für die Emission von Kohlenstoffdioxid (CO₂) kaufen. Ein Kohlenstoffzertifikat steht für die Reduktion oder Entfernung von einer Tonne CO₂ aus der Atmosphäre.
Landwirte, die Methoden zur Kohlenstoffspeicherung im Boden anwenden (z. B. Zwischenfrüchte oder reduzierte Bodenbearbeitung), können Kohlenstoffzertifikate generieren und an Unternehmen verkaufen, die ihre Emissionen «neutralisieren» wollen. Doch wie diese Analyse zeigt, ist die tatsächliche Fähigkeit der regenerativen Landwirtschaft, Kohlenstoff dauerhaft zu speichern, fraglich – was Zweifel am langfristigen Wert dieser Zertifikate aufwirft.
Ertragsverluste und das Problem des «Emissionslecks»
Ein zentrales Problem der regenerativen Landwirtschaft ist der Rückgang der Erträge. Wenn der Einsatz von Mineraldünger reduziert oder pfluglose Anbaumethoden eingeführt werden, sinken die Erträge häufig.
Das bedeutet, dass die verlorene Produktion an anderer Stelle ausgeglichen werden muss – meist durch eine Ausweitung der landwirtschaftlichen Produktion in anderen Regionen. Dieses Phänomen, bekannt als «Emissionsleck», kann dazu führen, dass die verlorenen Erträge durch Abholzung oder verstärkten Düngemitteleinsatz anderswo kompensiert werden – möglicherweise mit höheren Emissionen als den ursprünglich eingesparten.
Was ist die bessere Lösung?
Die Autoren des Berichts betonen, dass anstelle der regenerativen Landwirtschaft der Fokus auf die Effizienzsteigerung bei der Nutzung von Stickstoffdünger gelegt werden sollte. Etwa 80 % der CO₂-Emissionen aus dem Pflanzenbau stammen aus dem Einsatz von Mineraldünger, doch es gibt Methoden, diese Emissionen erheblich zu reduzieren, ohne Ertragsverluste zu verursachen.
Mögliche Lösungen umfassen:
Präzisionslandwirtschaft und gezieltere Stickstoffdüngung,
Einsatz von Drohnen und Sensoren zur Optimierung der Pflanzenernährung,
Tiefenapplikation von Stickstoff zur Verringerung der Verluste durch Verdunstung.
Die regenerative Landwirtschaft mag verlockend klingen, doch ihre Auswirkungen auf den Klimawandel und die wirtschaftliche Nachhaltigkeit bleiben weit hinter den oft geäußerten Behauptungen zurück. Der wahre Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft liegt nicht in populären Schlagworten, sondern in erprobten Methoden, die sowohl die Produktivität steigern als auch die Umweltbelastung reduzieren.