Die Landwirtschaft im Kanton Genf steht vor zahlreichen Herausforderungen, während sie gleichzeitig eine strategische Bedeutung für die Wirtschaft und Gesellschaft behält. François Erard, Abgeordneter der Partei Le Centre im Großen Rat der Republik und des Kantons Genf, Mitglied der Umwelt- & Agrarkommission sowie der Energiekonferenz, erklärt unserem Portal die aktuelle Lage der Landwirtschaft in dieser Schweizer Region, das Verhältnis zwischen Staat und Landwirten sowie zukünftige Perspektiven.
Weniger Landwirte, aber wachsendes Interesse an der Landwirtschaft
„In Genf gibt es immer weniger Landwirte, aber immer mehr Menschen und Gemeinschaften, die die Landwirtschaft unterstützen. Agri-Genève, die Organisation, die ich vertrete, wurde 1924 gegründet und hatte einst 400 Mitglieder. Heute ist diese Zahl niedriger, aber wir werden jetzt von den Gemeinden und Bürgern unterstützt, die die Bedeutung der lokalen Lebensmittelproduktion verstehen“, erklärt Herr Erard.
Landwirtschaftliche Veranstaltungen und politisches Engagement stehen im Mittelpunkt der Arbeit von Agri-Genève.
„Wir konzentrieren uns darauf, die Interessen der Landwirte durch politisches Engagement auf kantonaler und bundesweiter Ebene zu schützen. Ackerflächen nehmen ab, aber strenge Vorschriften schützen landwirtschaftliche Flächen vor der Ausdehnung städtischer Gebiete“, betont er.
Probleme und Perspektiven – Gibt es Hoffnung?
Genf ist ein besonderer Fall: umgeben von städtischen Gebieten und mit nur 11.000 Hektar Ackerland.
„Der Druck auf landwirtschaftliche Flächen ist enorm, aber im Gegenzug haben wir einen Markt von 500.000 Verbrauchern, die lokale Produkte schätzen. Die Produktion verlagert sich zunehmend auf Gewächshauskulturen – Genf ist der größte Tomatenproduzent der Schweiz. Zudem haben wir das drittgrößte Weinanbaugebiet des Landes. Früher dominierte der Blumenanbau, aber er ist fast verschwunden, weil billige Importe ihn verdrängt haben“, erklärt unser Gesprächspartner.
Die Schweiz ist bekannt für ihre Familienbetriebe, und die meisten Höfe werden von Generation zu Generation weitergegeben.
„Bei uns ist die Fortführung der landwirtschaftlichen Tätigkeit kein Problem, da die Kinder den Hof in der Regel übernehmen. Die Betriebsgröße variiert je nach Kultur: Für Getreide benötigt man etwa 50 bis 60 Hektar, für den Weinbau etwa zehn Hektar und für den Gemüseanbau deutlich weniger“, erklärt Herr Erard.
Staatliche Unterstützung und Markt-Herausforderungen
Die Schweiz ist nicht Teil der Europäischen Union, was es ihr lange ermöglichte, ihre Landwirte vor Billigimporten zu schützen.
„Das System der Direktzahlungen stellt sicher, dass Landwirte nicht nur vom Verkauf ihrer Produkte abhängig sind, sondern auch von gemeinnützigen Dienstleistungen wie Landschafts- und Biodiversitätserhaltung profitieren. Dieses System macht einen bedeutenden Anteil am Einkommen der Landwirte aus“, hebt Herr Erard hervor.
Die Bundesregierung finanziert 90 % der Subventionen, während die kantonalen Behörden diese Beihilfen ergänzen. Das landwirtschaftliche Budget der Schweiz beläuft sich auf rund vier Milliarden Schweizer Franken pro Jahr, wobei der Großteil für Direktzahlungen verwendet wird.
Die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft
Eine der größten Herausforderungen bleibt der Klimawandel, insbesondere für den Weinbau.
„Die Probleme beginnen im März und April, wenn frühe Frühlingstemperaturen das schnelle Wachstum der Reben auslösen, gefolgt von Spätfrösten, die die Ernte zerstören. Auch Wasser wird zu einem großen Anliegen – Dürren und starke Regenfälle wechseln sich ab und erschweren die Arbeit der Landwirte“, betont er.
Genf hat sein eigenes Qualitätslabel GRTA (Genève Région – Terre Avenir) eingeführt, das lokale Produkte in großen Einzelhändlern wie Coop und Migros sowie auf Märkten und Bauernhöfen fördert.
„Dieses Label garantiert Frische, Nachhaltigkeit und faire Arbeitsbedingungen für landwirtschaftliche Beschäftigte. Unser Ziel ist es, dass möglichst viele Genfer lokale Produkte konsumieren“, schließt Herr Erard.
Die Landwirtschaft in Genf und der Schweiz steht vor großen Herausforderungen, genießt jedoch weiterhin starke Unterstützung und systematische Schutzmaßnahmen. Trotz sinkender Produzentenzahlen wächst das Interesse an lokaler Produktion. Mit der richtigen Politik und steigender Verbraucheraufmerksamkeit bleibt dieser Sektor eine tragende Säule der Schweizer Gesellschaft.