Der größte Feind der Biene ist vielleicht kein Parasit – sondern der Imker selbst
Es ist eine unbequeme Wahrheit: Der gefährlichste Verbündete der Varroa destructor ist oft der Imker selbst. In dem Wunsch, starke Völker, mehr Honig und zusätzliche Ableger zu haben, treffen viele Imker Entscheidungen, die unbeabsichtigt das Immunsystem der Bienen schwächen und perfekte Bedingungen für die Vermehrung des Parasiten schaffen. Die Varroamilbe nutzt all diese Schwächen geschickt aus.
Beheizte Beuten – Brutstätten für Varroa
Ein häufiger Fehler, besonders in gemäßigten Klimazonen, ist das künstliche Erwärmen der Beuten im Frühling. Manche Imker isolieren oder beheizen ihre Völker, um die Entwicklung zu beschleunigen. Dadurch verlängert sich jedoch die Brutperiode, und genau dort vermehrt sich die Varroa. Je länger verdeckelte Brut vorhanden ist, desto mehr Nachkommen kann die Milbe erzeugen.
Frühjahrsfütterung – ein Festmahl für die Milbe
Die Frühjahrsfütterung zur Anregung der Eiablage der Königin fördert gleichzeitig die raschere Vermehrung der Varroa, da sie sich ausschließlich in verdeckelter Brut fortpflanzt – genau das, was die Fütterung bezweckt.
Schwarmverhinderung – gegen die Natur, für die Varroa
Das Schwärmen wird von Imkern oft als Produktionsverlust gesehen, ist aber in Wirklichkeit ein natürlicher Mechanismus zur Bekämpfung der Varroamilbe. Wenn ein Volk schwärmt, verlässt es einen Teil der Brut – und damit auch viele Milben. Maßnahmen zur Schwarmverhinderung (Käfigen der Königin, ständiges Öffnen der Beute, Brutunterbrechungen) unterbinden diesen natürlichen Schutzmechanismus.
Drohnenrahmen – die Kinderstube für Parasiten
In manchen Imkereien werden gezielt Drohnenrahmen eingesetzt – sei es zur Zucht oder Begattung. Dabei wird oft übersehen, dass die Varroamilbe die Drohnenbrut bis zu zehnmal häufiger befällt als Arbeiterinnenbrut. Jeder zusätzliche Drohnenrahmen ist also ein idealer Brutplatz für Varroa.
Zu viele Völker – Varroa auf dem Silbertablett
In überbesetzten Bienenständen kommt es oft zu einem massiven Milbenaustausch zwischen den Völkern, vor allem durch Räuberei oder bei kollabierenden Völkern. Selbst gut behandelte Völker können innerhalb weniger Tage wieder stark befallen werden, wenn sie von unbehandelten Nachbarn umgeben sind.
Einseitige Pollenquellen – schwaches Immunsystem
Moderne Agrarlandschaften mit Monokulturen führen zu nährstoffarmen Pollenquellen, was direkt zur Schwächung des Immunsystems der Bienen beiträgt. Geschwächte Bienen sind deutlich anfälliger für Viren, die von der Varroa übertragen werden. Die Wanderung zu einer blühenden Kultur reicht nicht – Vielfalt ist lebenswichtig.
Die Lösung liegt in der Praxis
Medikamentöse Behandlungen bleiben wichtig, aber die eigentliche Lösung liegt in einem angepassten Imkereikonzept:
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Den natürlichen Rhythmus der Völker respektieren
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Brutflächen begrenzt halten
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Gezielte Ablegerbildung fördern
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Biotechnische Methoden anwenden (Hyperthermie, Königinnenkäfigung, Drohnenbrutentnahme)
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Standdichte reduzieren und Nachbarvölker beobachten
Die Bienen müssen… uns überleben
Jeder Imker hat seinen Stil – aber Parasiten kennen keine Methoden. Die Varroa lebt von unseren Fehlern. Also bleibt die Frage: Arbeiten wir für die Biene – oder ohne es zu wollen, für ihren Feind?
QUELLE: Beekeeping IV – Varroatolerance „Beekeeping and its Role in Countryside Ecology and Rural Development“