Jahrzehntelang konnten europäische Landwirte auf staatliche Unterstützung, Subventionen und Mechanismen zählen, die Marktschwankungen abfederten. Heute jedoch ist die Situation eine andere – der Staat zieht sich zunehmend zurück, und die Landwirte sind den Kräften des globalen Marktes ausgeliefert. Der Preis für Weizen, Mais oder Soja hängt nicht mehr nur von den Erträgen ab, sondern auch von den Bewegungen an den Börsen, finanziellen Spekulationen und den Ölpreisen.
«In den letzten vier Jahren wurde deutlich, wie stark die Agrarmärkte der EU ohne Schutz den Kräften des Weltmarktes ausgesetzt sind. Die Politik verfügt über immer weniger Instrumente zur Kontrolle großer Preisschwankungen», heißt es in einer Analyse des Deutschen Raiffeisenverbandes.
Früher wussten die Landwirte, womit sie rechnen konnten – gute Jahre bedeuteten volle Speicher, und schlechte Jahre wurden durch Reserven ausgeglichen. Heute bedeutet eine gute Ernte nicht zwangsläufig einen guten Gewinn. Das Problem liegt in der schnellen und unvorhersehbaren Preisentwicklung. Ohne klare Schutzmechanismen gehen die Produzenten immer häufiger hohe Risiken ein.
Wetterbedingungen waren schon immer ein unsicherer Faktor, doch nun kommen weitere Herausforderungen hinzu – die Energiepreise, die Auswirkungen des Klimawandels und eine wachsende Abhängigkeit von den Finanzmärkten. «Landwirtschaftliche Erzeugnisse werden zunehmend als Ersatz für fossile Brennstoffe genutzt, und die Ölpreise haben einen immer stärkeren Einfluss auf die Lebensmittelpreise», betonen die Autoren der Studie.
In Ermangelung staatlicher Schutzmechanismen werden Warenterminbörsen als ein zunehmend genutztes Instrument angesehen. Über sie können Produzenten Preise im Voraus festlegen und sich so vor hohen Verlusten schützen. Doch dies erfordert Wissen, Erfahrung und Zugang zu Finanzinstrumenten, die nicht allen zur Verfügung stehen.
Die zentrale Frage bleibt: Ist der Rückzug des Staates eine richtige Entscheidung oder ein Schritt in Richtung des Verschwindens kleiner und mittelgroßer Betriebe? Denn unter diesen Bedingungen überleben nur die größten und am besten vorbereiteten Unternehmen. Die übrigen, ohne eine klare Stütze, stehen immer häufiger am Rande des Überlebens.