Bisons in der Schweiz: Eine Familienfarm, die die Tradition bewahrt

Nur fünfzehn Minuten vom Zentrum Genfs entfernt befindet sich eine außergewöhnliche Farm. Anstelle von traditionellen Kühen und Schafen streift hier eine beeindruckende Bisonherde frei umher. Diese Farm ist das Ergebnis eines langjährigen familiären Engagements und wird heute von Kim Girardet in Zusammenarbeit mit ihrem Vater geführt.

Der Beginn der Bison-Geschichte

„Unsere Familie hat dieses Projekt 1990 gestartet, als wir unsere ersten Bisons aus den USA und Kanada importierten“, erklärt Frau Girardet. „Seitdem sind Bisons ein integraler Bestandteil unseres Lebens geworden. Ich bin mit ihnen aufgewachsen – sie sind ein Teil von mir.“

Heute zählt die Farm zwischen 120 und 130 Bisons, darunter 45 Kühe, die für die Zucht bestimmt sind. Neben Bisons gibt es auch weidende Pferde und eine kleine Anzahl von Wapitis – nordamerikanische Hirsche.

Naturnahe Haltung der Bisons

Die Bisons auf dieser Farm werden unter völlig natürlichen Bedingungen gehalten. „Sie sind wilde Tiere, die viel Platz brauchen“, sagt Frau Girardet. „Bei uns leben sie zu 100 % auf der Weide – im Sommer ernähren sie sich von Gras, und im Winter füttern wir sie mit selbst produziertem Heu.“

Die extensive Haltung ermöglicht es den Bisons, in einer Umgebung zu leben, die ihrem natürlichen Habitat nahekommt. Die Farm erstreckt sich über etwa dreißig Hektar, und Frau Girardet betont die Bedeutung des Platzes für das Wohl der Tiere.

„Sie können nicht in engen Räumen wie Kühe oder andere Nutztiere leben. Bisons sind Wildtiere und erfordern besondere Aufmerksamkeit“, hebt sie hervor.

Fleischproduktion und Erhalt der Tradition

Obwohl die Bisonzucht die Hauptaktivität der Farm ist, wird ein großer Teil der Produktion der Fleischverarbeitung gewidmet. „Wir vertreiben unsere gesamte Produktion über lokale Metzger wie Maître Boucher und Meaty. Diese Unternehmen verkaufen unser Fleisch an Restaurants und Fachgeschäfte.“

Die Farm verfolgt einen nachhaltigen Ansatz und nutzt jeden Teil des Tieres. „Wir möchten nichts verschwenden. Die Häute werden gegerbt und für Dekorationszwecke verwendet, während die Schädel oft für künstlerische Zwecke genutzt werden, insbesondere in der Tradition der amerikanischen Ureinwohner.“

Natürliche Fortpflanzung und Herdenwachstum

Auf der Farm gibt es keine künstliche Besamung oder intensive Fortpflanzungskontrolle. „Wir haben 45 Kühe und zwei Bullen. Alles verläuft auf natürliche Weise, ohne menschliches Eingreifen“, erklärt Frau Girardet.

Die Kälber werden im Frühjahr, hauptsächlich im April und Mai, nach einer Tragzeit von neun Monaten geboren. „Der Bison ist eng mit der Kuh verwandt – sie sind Wiederkäuer und haben einen ähnlichen Fortpflanzungszyklus“, fügt sie hinzu.

Junge Männchen werden zwischen eineinhalb und zweieinhalb Jahren von der Hauptherde getrennt, wenn sie ein Gewicht von etwa 600 kg erreichen.

Anpassung an den Markt

Eine der größten Herausforderungen der Bisonzucht in der Schweiz ist der Markt. „Wir sind nicht Teil des standardisierten Schweizer Fleischbeschaffungssystems wie Proviande oder CH Tax. Daher mussten wir unser eigenes Vertriebsnetz aufbauen“, erklärt Frau Girardet.

Der Preis für Bisonfleisch ist stabil und schwankt nicht mit dem Markt, liegt jedoch etwas höher als Rindfleisch. „Unsere Produktion ist spezialisiert, daher konkurrieren wir nicht mit der Massenproduktion von Rindfleisch. Unsere Bisons werden langsamer und unter natürlichen Bedingungen aufgezogen, was die Fleischqualität verbessert.“

Ökologisches Bewusstsein und Nachhaltigkeit

Seit 1998 verzichtet die Farm auf den Einsatz von Pestiziden oder anderen Chemikalien. „Wir arbeiten ausschließlich mit natürlichen Methoden. Wir produzieren unser eigenes Heu und beziehen Stroh von lokalen Bauern, die Weizen und Gerste anbauen“, sagt Frau Girardet.

Besonderes Augenmerk wird auch auf Weiderotation und Bodenerhaltung gelegt. „Wir haben vier verschiedene Weiden, die wir regelmäßig rotieren, um die Grasqualität zu erhalten und das Risiko von Parasiten zu minimieren.“

Herausforderungen mit staatlichen Subventionen

Obwohl Bisons technisch gesehen Rinder sind, werden sie vom Staat nicht als solche anerkannt, was ein Problem darstellt. „Wir haben nicht dieselben direkten Subventionen wie Rinderzüchter, und mein Vater hat immer dafür gekämpft, dies zu ändern“, betont Frau Girardet.

Der Staat verbietet auch, die Bisons im Sommer auf Almen zu treiben, obwohl dies eine natürliche Art der Bewirtschaftung wäre. „Wir kämpfen dafür, dass Bisons wie andere Rinder behandelt werden, aber es ist ein langer und schwieriger Kampf.“

Die Zukunft der Landwirtschaft in Genf

Obwohl Genf als urbaner Kanton mit wenig Landwirtschaft wahrgenommen wird, betont Frau Girardet, dass die Realität anders aussieht. „Genf ist ein urbaner Kanton, aber viele junge Menschen wollen Familienbetriebe übernehmen. Die Landwirtschaft hat hier eine Zukunft.“

Die Bisonfarm der Familie Girardet ist ein Beispiel für nachhaltige Landwirtschaft in der Schweiz. Durch einen respektvollen Ansatz in der Tierhaltung, ein unabhängiges Vertriebsmodell und den Erhalt natürlicher Ressourcen gelingt es ihnen, Tradition mit modernen ökologischen Standards zu verbinden.

„Für uns ist das Wichtigste, dass die Tiere so natürlich wie möglich leben, dass nichts verschwendet wird und dass die lokale Gemeinschaft von hochwertigen Produkten profitiert“, fasst Frau Girardet zusammen.

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